Zeit zu handeln


Übersicht 2. Konferenz

Zweite Konferenz des Denkwerks Zukunft "Weichen stellen. Wege zu zukunftsfähigen Lebensweisen"

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(Photo: Jan Konitzki)

Wir können auch anders sein

Alternativen zur tradierten Wachstumsgesellschaft müssen die Menschen begeistern - 2. Konferenz der Stiftung Denkwerk Zukunft

von Heike Leitschuh

Um Wohlstand für alle zu sichern und die Krisen auf der Welt zu lösen, ist es genau der falsche Weg auf fortwährendes Wirtschaftswachstum zu setzen. Das Wachstum selbst hat uns in die Krise geführt, es zerstört inzwischen mehr Werte als es schafft. Auf der Basis dieser Erkenntnis trafen sich am 15. Januar in Berlin auf Einladung des Denkwerks Zukunft 430 Menschen, um von Philosophen, Soziologinnen, Hirnforschern, Kultur- und Politikwissenschaftlern, aber auch von Buddhisten zu hören, wie „Wege zu zukunftsfähigen Lebensweisen" aussehen könnten.

Die Überzeugung, dass nur eine Gesellschaft mit einer Wirtschaft, die immer wächst, überlebensfähig ist, ist kulturell so tief verwurzelt, dass der Diskurs über Alternativen mitunter unmöglich wird. Der Kulturwissenschaftler Harald Welzer führte das darauf zurück, dass sich unser Leben nie zuvor so stark und so schnell verändert habe, wie in nur knapp 150 Jahren Industriegeschichte. Doch die tiefen Prägungen im Denken, die uns auch daran hindern, Neues zu wagen, sind veränderbar. Das kann die Hirnforschung belegen. Gerald Hüther, Neurobiologe, sagte auch wie: mit Emotionen, d.h. „werden wir begeistert, können wir Neues aufnehmen".

Das Neue, also die Alternativen skizzierte in Ansätzen die US-amerikanische Soziologin Juliet B. Schor: Nicht ein Leben in Reichtum aber in Fülle, in dem wir mehr selbst machen (auf hohem technischen Niveau), Produkte teilen statt besitzen und gemeinschaftlicher leben und agieren. Überall erprobten Menschen neue Lebensweisen. „Diese Minderheiten" könnten „eine ganze Kultur verändern".

„Ändere dein Leben!", diesen „ökologisch-kosmopolitischen Imperativ", rief der Philosoph Peter Sloterdijk den Menschen zu. Dann könnten wir eines Tages von einer „Ökonomie der Aneignung" in eine „Ökonomie der Großzügigkeit" hineinwachsen.

Liegt der Schlüssel für die Veränderung aber tatsächlich beim Individuum? Elena Esposito, Soziologin aus Modena, bezweifelte es, „wir lernen Gefühle von und innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen" und möchte den Blick daher mehr auf die Politik lenken. Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin machte neben einem starken ichbezogenen Individualismus aber auch „ein Bedürfnis nach Gemeinschaft und gemeinsam Werten" aus, von dem Impulse ausgehen könnten. Die Vertreter des Buddhismus, zu denen neben dem thailändischen Soziologieprofessor Sulak Sivaraska, dem Buthanesen Dasho Karma Ura auch der Schweizer Diego Hangartner vom Mind and Life Institute zählten, lenkten das Augenmerk auf die Stärken dieser Philosophie, die vor allem in der Achtsamkeit des Menschen für sich und seine Umwelt liege.

Eine zwiespältige Bilanz zog Meinhard Miegel, Vorsitzender des Denkwerks Zukunft, zum Abschluss: „Wir können auch anders sein", doch die Gegenkräfte aus „beinharten Machtinteressen, Bedürfnissen, Erfahrungen und kulturellen Prägungen" seien extrem stark.

Bliebe hinzuzufügen: Und von den Alternativen geht noch kein so starker Sog aus, dass sie uns schon begeistern könnten, die Wende anzupacken.

Heike Leitschuh ist Journalistin, Moderatorin & Beraterin für Nachhaltige Entwicklung und lebt in Frankfurt am Main. Die Buch-Autorin ist Mitherausgeberin des ‚Jahrbuch Ökologie'. (www.fairwirtschaften.de)

Zum ausführlichen Konferenzbericht von Heike Leitschuh